Debatte

Recherche im Netz
Kapitel 2 | Marlis Prinzing | Damals wie heute: Wer recherchiert, darf sich nicht vor Menschen fürchten

Recherche ist vor allem jenen verdächtig, die etwas zu verbergen haben. Sie empfinden Recherche als Schnüffelei in anderer Leute Angelegenheiten. Genau das ist Recherche – richtig verstanden – nicht. Recherchieren professionelle Journalisten, dann erfüllen sie den Kern ihres gesellschaftlichen Auftrags: Sie versuchen herauszufinden, wie etwas wirklich war, und machen dies, wenn es gute Gründe dafür gibt, öffentlich, und zwar ohne Furcht vor Mächtigen und Hochmögenden. Professionelle Journalisten sind Fachleute, die nach bestimmten Kriterien entscheiden, was an den Tag (au jour) muss und was ins Private gehört.

Dabei folgen sie bestimmten beispielsweise rechercheethischen Regeln und handeln nicht nach eigenem Gutdünken oder gar, um „jemanden eines auszuwischen“. Sie sind der Gesellschaft gegenüber verantwortlich und somit verpflichtet, auch unangenehme Dinge öffentlich zu machen, wenn sie für die Öffentlichkeit von relevantem Interesse sind. Recherche ist eine journalistische Haltung und  ein Ausdruck von Medienfreiheit als Garant einer demokratischen Gesellschaft.


 

Recherche im Netz
Kapitel 5 | Hektor Haarkötter | Suchen und finden: Wir googlen nicht zu viel, sondern zu schlecht
Die Suchmaschine der Firma Google dominiert nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern weltweit derart, dass der Suchmaschinen-Spezialist Wolfgang Sander-Beuermann von der Leibniz-Universität Hannover feststellt: „Der Markt ist zerstört“ (Meier 2012). Nicht nur bei der einfachen Websuche hat Google die Nase vorn: Durch eine Vielzahl von Zusatzangeboten und Firmenzukäufen wie die Videoplattform Youtube oder den Werbevermarkter Doubleclick erstreckt sich Googles Einfluss heute beinahe über das gesamte Internet. Für Jeff Jarvis ist der Erfolg von Google so beispielhaft, dass seiner Meinung nach jeder, der im Internet reüssieren wolle, sich fragen müsse: „Was würde Google tun?“ (Jarvis 2009) Der Erfolg hat auch mit der Qualität von Google zu tun: Auch wenn Google keine Zahlen mehr zu diesem Thema veröffentlicht, kann man davon ausgehen, dass Billionen von Webseiten indiziert sind. Sie stehen  in Google-Rechenzentren, die quer über den Globus verteilt sind, ständig für die Internetrecherche zur Verfügung, um das selbsterklärte Ziel zu verwirklichen, jede Suchanfrage innerhalb einer halben Sekunde beantwortet zu haben. In einem berühmt gewordenen 10-Punkte-Plan („Ten things we know to be true“) hat Google dieses Selbstverständnis formuliert: „Großartig ist für uns noch nicht gut genug“ (Google Inc. O.J.). Google dürfte seine Ziele, was die Internetsuche angeht, erreicht haben: Es gibt schlicht keine bessere Suchmaschine. Wer sich im Internet auskennen will, muss sich mit Google auskennen. Und das gilt gerade auch für Journalisten.



Recherche im Netz
Kapitel 6 | Hektor Haarkötter | Computer Assisted Reporting (CAR): Wie der Computer dem Journalismus hilft
In Deutschland hat das „Leaken“ bereits einen Bundesminister zu Fall gebracht. Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hatte im Jahr 2007 eine staatsrechtliche Doktorarbeit an der Universität Bayreuth vorgelegt und 2009 publiziert. Einem Bremer Rechtswissenschaftler fielen in dieser Arbeit 24 Textstellen auf, die ohne Quellenangabe übernommen worden waren, was kurz darauf in der Fachzeitschrift Kritische Justiz öffentlich gemacht wurde. So weit, so analog. Internetaktivisten stellten in der Folge die gesamte Dissertation des Ministers auf der Internetseite Guttenplag Wiki online und überprüften sie systematisch auf Plagiate. Am Ende fanden sie 270 Seiten, auf denen der Minister bewusst und nicht nur versehentlich fremde Quellen ohne Kennzeichnung verwendet hatte. Dem Minister wurde daraufhin der Doktortitel aberkannt und er musste zurücktreten. Nach zu Guttenberg wurden auch die Dissertationen anderer Persönlichkeiten von den Plagiatsjägern im Internet ins Visier genommen, auch wenn sie nicht alle solche des öffentlichen Lebens waren. So wurde im Vroniplag Wiki die Doktorarbeit einer Frau unter die Lupe genommen, deren ansonsten einziger Nachteil war, die Tochter eines ehemaligen Ministerpräsidenten zu sein. Dies löste in der Öffentlichkeit Diskussionen aus, ob die anonymen Datenkontrolleure das Recht haben, Privatpersonen in dieser Form ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren (Sander 2011, Trenkamp 2011).